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Auszüge aus der Einführungsrede von Dr. Hermann Josef Bauer, Lüdinghausen:
.Hören wir zunächst, was die Künstlerin über sich selbst schreibt: Malen ist für mich ein Prozess der Umwandlung von Gesehenem, Erlebtem, Gefühltem zu etwas Neuem. Es erfordert Stille, in sich kehren, sich vergessen. Durch den Wechsel von bewusstem und unbewusstem Agieren, begleitet von unterschiedlichen Empfindungen, entsteht ein Bild mit losgelöster, neuer Eigenständigkeit. Wenn es gelungen ist, berührt es andere.
Damit ist schon gesagt, dass Annette Wessel keine rasch handelnde, kühl rationale Malerin ist, sondern eine einfühlsame, konzentrierte und nachdenkliche Künstlerin. Während des spontanen Wachsens ihrer Form- und Farbenwelt mit bestimmtem Ziel, unterbricht sie immer wieder gezielt ihre Arbeit, aufgeschlossen und sensibel für unerwartete Eindrücke, die das bisher geschaffene Bildfragment ihr entgegenbringt. Sie hat keine festgefahrenen Sehgewohnheiten und stilistischen Vorstellungen, folgt jederzeit einem neuen Weg, der sich spontan auftut; sie hält an, um einzukehren und in eine andere Richtung zu gehen, dann aber wieder mit spontaner Heftigkeit ans Werk gehend.
Ihre Malerei ist vielschichtig ohne überladen zu sein, wild ohne wüst zu sein, farbintensiv- aber nicht bunt, von starken Kontrasten bestimmt, aber nicht knallig. Sie sind spannungsgeladen, aber sensibel, rhythmisch und harmonisch. Das wichtigste aber ihre Bilder berühren, der Betrachter fühlt sich angesprochen. Das ist der Maßstab für ein wirklich gutes Bild.
Die Titel ihrer Bilder sind Entdeckungen, Ein Tag im Sommer, Mächte, a la belle etoile- also nachts unter freiem Himmel. Darin klingt eine Stimmung in der Natur, eine Ausstrahlung von Natur und Landschaft, die ihre Bilder widerspiegeln. Viele Bilder haben keinen Titel, weil sie aus sich selbst und von sich selbst erzählen sollen, damit der Betrachter sich selbst ein Bild vom Bild machen kann und er die Freiheit der Einfühlung und Entdeckung hat. Wenn der Betrachter zuhören kann, erzählen die Bilder viele, tiefgründige Geschichten.
Ihre farbintensiven, strukturreichen Kompositionen vereinen mehrere Kunststile. Einen ästhetischen Reiz bildet die Mischung von abstrakter und informeller Malerei, verzahnt manchmal mit Gegenständlichem. Menschliche Figuren treten als geheimnisvolle schattenhafte Wesen in ihren abstrakten Bildwelten auf. Hierdurch entsteht eine zusätzliche Spannung, als lebte in den Bildern ein Schattenwesen: ungreifbar, aber ständig präsent, man wird die Schatten nicht mehr los. Im Spannungsfeld zwischen Abstraktion und Figürlichem unternimmt der Betrachter eine spannende Wanderung durch geheimnisvolle, imaginäre Landschaften.
Ihre Bilder haben einen ganz unterschiedlichen Charakter: Früher waren es mehr, manchmal auch heute noch, ruhige, große Farbfelder. Heute ist es oft fast wilde, scheinbar unordentliche informelle Gestik, die gleich wieder mit großen Farbfeldern zur Ruhe gebracht wird. Früher waren es mehr rote, blaue und grüne Töne, die ihre Bilder bestimmten, heute sind es mehr gelbe, auch Türkisfarbene, überhaupt lichte Töne, starke Helligkeit, aber auch starker Kontrast.
Ihre Bilder sind nachdenklich, machen nachdenklich. Licht und Schatten kämpfen miteinander, der Mensch muss sich mit schattenhaften Wesen arrangieren. Andererseits- wo Schatten ist, da ist auch Licht. So wie Licht und Schatten das Leben bestimmen, bahnen sich die lichten Farben einen Weg durch ihre Bilder
Dr. Hermann Josef Bauer |